Namensfindung und -bedeutungen

 

Anders als im Falle der weiblichen Hauptfigur, bei der mir die Entscheidung zwischen Célina und Angelina sehr schwerfiel, stand der Name des männlichen Gegenparts relativ schnell fest. Berard ist der ideale Name für eine Figur, in der sich starke und gefährliche Charakterzüge mit der Melancholie der Entsagung vereinen. Ich fügte lediglich den »accent aigu« hinzu, um Bérards französich-belgische Herkunft zu betonen – eh, voilà!

 

»Berard – der Bärenstarke. Sei stark im Wagen, stärker im Ertragen, ganz stark im Entsagen!

Der hl. Berard von Carbio war ein Jünger des hl. Franz von Assisi und wurde von seinem Ordensvater mit vier Gefährten zu den Muselmanen Südspaniens und Marokkos gesandt. In Sevilla predigte er freimütig in der Moschee und vor dem mohammedanischen Fürsten, wofür die fünf mutigen Apostel Schläge und Kerkerhaft ertragen mußten. Auch in Marokko verkündeten sie den wahren Glauben und eiferten gegen Mohammed, worauf sie König Miramolin ins Gefängnis werfen und grausam quälen ließ. Am 16. Januar 1220 ergriff der gereizte König selber das Schwert und spaltete allen das Haupt. Als der Ordensvater dies vernahm, rief er aus: ›Jetzt weiß ich, daß ich fünf wahre Söhne gehabt habe.‹ Papst Sixtus IV. nahm die fünf Erstlingsmartyrer des Franziskanerordens unter die Heiligen auf.«

Aus: Britschgi, P. Ezechiel: Name verpflichtet

 

Angelina oder Célina? In der Vorveröffentlichung, mit der ich den Stoff 2001 unter einem Pseudonym rechtlich sicherte, heißt die weibliche Hauptfigur Célina. Nach der rechtlichen Sicherung verschwand der Roman in der Schublade, da sich keine Möglichkeit der kommerziellen Vermarktung ergab.

Dieser Umstand erwies sich im nachhinein als konstruktiv, denn mit der Namensgebung der Protagonistin war ich nie wirklich zufrieden. Schon im Jahr 2002, als ich die Parallelhandlung in die Kapitel einfügte, begann ich zu überlegen, ob nicht der »engelhaften« Angelina der Vorzug zu geben sei. Engel können fallen, wenn sie einer Versuchung erliegen. Wichtig war, die starke Polarität der Charaktere auch in Namensgebung der Protagonisten zu berücksichtigen und zu unterstreichen. Bérard, der Bärenstarke, der von seinem Erzfeind Alexandre »der Bestialische« genannt wird, steht in einem starken Gegensatz zu der »engelhaften« bzw. »himmlischen« Protagonistin. Starke Gegensätze erzeugen starke Konflikte. Und genau das war mein Ziel.

Tatsächlich hatte ich zu keinem Zeitpunkt ein wirklich gutes Gefühl mit dem Namen Célina, der mir ein wenig kitschig vorkam. Dennoch entschied ich erst im Februar 2011, nämlich, als die Möglichkeit einer Veröffentlichung näherrückte, die weibliche Hauptfigur in Angelina umzubenennen, eine gute Wahl – letztendlich.

 

»Angelina – die Engelgleiche. ›Bleibe wie ein Engel stark und rein und laß den Glanz deiner Stirne nie verblassen‹.

Die sel. Angelina kam im Jahre 1377 zu Marsciano in Umbrien auf die Welt und legte nach dem frühen Tod der Mutter das Gelübde der Jungfräulichkeit ab. Trotzdem mußte sie dem harten Befehle des Vaters gehorchen und mit fünfzehn Jahren dem Grafen von Civitella die Hand zum Ehebund reichen. Aber ihr frommer Gemahl lebte jungfräulich mit ihr und starb schon nach zwei Jahren. Sie trat dem Dritten Orden des hl. Franz bei und pflegte mit einigen gleichgesinnten Damen die Kranken, Armen und Waisen. 1397 gründete sie in Foligno und bald auch in anderen Städten Klöster der regulierten Terziarinnen und leitete sie seit 1435 zu Foligno und wurde 1825 seliggesprochen.

Sel. Angelina, Nonne zu Spoleto, † 1450.

Aus: Britschgi, P. Ezechiel: Name verpflichtet

 

»Celine – die Himmlische. ›Wer reinen Herzens ist und züchtig in Gebärden und hoch verliebt in Gott, ist himmlisch schon auf Erden‹ (Angelus Silesius).

Die hl. Celine entstammte einer adligen Familie in Meaux. Sie floh aus dem elterlichen Hause, weil man ihr eine Vermählung aufzwingen wollte, nahm das Ordenskleid und war einzig darauf bedacht, Gott zu gefallen. Sie starb am Ende des 5. Jahrhunderts.«

Aus: Britschgi, P. Ezechiel: Name verpflichtet

 

Man sieht, daß es nicht immer ideal sein muß, eine Geschichte sofort nach ihrer Entstehung zu veröffentlichen. In diesem speziellen Fall hat sich das lange »Reifen« des Stoffes als außerordentlich konstruktiv erwiesen, denn erst jetzt bin ich mit dem Ergebnis rundum zufrieden.