Via poetica

ATEMLOS SCHWEIGT

 

Lieben

Oder

Nichts unversucht lassen

Im Kampf

Um das Sterben der Zeit

Der Erfüllung?

 

Erfüllung

Verheißt in Liebe

Nichts als

Tod

In kleinen Schritten

Bis

 

Liebe

Hoffnungsvoll

Sich selbst bestärkt

Durch

Erneuerung

Im Zeichen des

Wahren Begegnens

Wo

Atemlos schweigt

Die Zeit.

 

Aus:

Stilles Wort

Liebesgedichte & andere Nachdenklichkeiten

von

Carola Hipper

ZWISCHEN DEN ZEILEN

 

Zwischen den Zeilen

Des Lebens versteckt sich

Der Tod

Unter all den Lebenden.

 

Hast du einmal ihn erweckt,

Zwischen deinen Zeilen,

Liest aus deiner Seele er dir vor.

 

Und während er noch zu dir spricht,

Entdeckst dein

Leben du,

Zwischen seinen Zeilen.

 

Aus:

Einfach leicht

Über-Lebens-Gedichte

& andere Nebensächlichkeiten

von

Carola Hipper


Memento mortis

 

Einst fragte ich den Tod

Nach seinem letzten Wort:

»Was, wenn deine Zeit gekommen,

Wenn der letzte Berg erklommen«,

Fragte ich in meiner Not,

»Was, wenn Tod dem Tode droht?

Als des Lebens Totgeburt,

Die das eigne Schwert verlacht,

Wandelst du mit schwerem Schritte

auf der Fügung dunkler Furt.

Wer wird zum großen Ende reißen dich

Aus der Gezeiten Würgegriff

Jener unbekannten Macht,

Die dich einst zum Tod verdammte?

Zum Schmerz der Wahrheit letzter Bitte,

Wo des Lebens Sterbenslicht entflammte,

Kennt dein Gesicht, so schauerlich,

Vor Todesmut Konturen nicht.

 

Was, Tod, wenn das eig´ne Schicksal droht,

Droht, den Stab der Macht dir zu entwenden,

Seine schwarzen Reiter auszusenden,

Auf daß der Tod mag tausend Tode sterben?

Was ritz´ ich in des Lebensbaumes Kerben,

Wenn Tod befolgt sein heiligstes Gebot?

Wer wird kommen, dich zu spannen

Vor des Himmels Großen Wagen,

Von des Daseins dunklen Plagen,

Dich zu lösen, wer wird kommen,

Die letzte Ehre dir zu geben,

Und dein Licht emporzuheben?

Wer wird’s wagen, dich zu bannen,

Jenes sterbensschöne Wesen

Stark und dunkel – auserlesen,

Das, von Tod zu Tode auserkoren,

Sich zu Pflicht und Ehre stets bekannte,

Und doch nie die eigne Seele kannte?

 

Wer wird dem Tode Frieden bringen,

Ein Lied von Sterblichkeit dir singen,

Die Welt aus deinen Angeln heben?

Wer wird des Todes Seele retten,

Sie befrei´n aus ihren Ketten?

Lauf, mein Tod! Lauf um dein Leben!

Wer wird stehlen dir das Licht

Aus den sterbensklugen Augen,

Die alles Leid der Welt erblickten

Und der Welten Lauf verrückten,

Um der Zeit den Schlaf zu rauben?

Du mein Tod, verweile nicht,

Der Ruf der Zeit eilt dir voraus!

Fehdehandschuh kaum gefallen,

In des Lebens Ruhmeshallen,

Unsterblichkeit auf kleiner Flamme,

Wer auch immer dich verdamme,

Wanken muß deiner Seele Kartenhaus!

 

Wer wird Tod mit Tod bedenken,

Dir die letzte Ehre schenken,

Wer wird´s wagen, wer wird kommen,

Deine Reinheit unbenommen,

Zu befrei´n dich von der Bürde

Eines Lebens, das dir stattgegeben,

Trauernetze sanft zu weben

Um der Sterblichkeit Gewänder?

Der Stern über dem Schloß der Zeit

Vergießt sein Gold mit Königswürde,

Sein Licht erstrahlt in aller Herren Länder

Und trägt hinaus mit Siegerstolz

Das Banner der Unsterblichkeit.

Lebensgeister frei entschweben,

Schon nahen sie, sich zu erheben

Über des Lebens schmalen Grat.

Und als des Todes letzter Wille schmolz,

Der Fluß der Zeit über seine Ufer trat.

 

Tod! Du rennst in dein Verderben!

Das Rad des Schicksals liegt in Scherben!

Wer wird´s wagen, dich zu zähmen,

Deine kalte Hand zu lähmen,

Zu beschwören, zu betören,

Todesflehen zu erhören?

Dunkler Kräfte Lebenssäfte,

Schwarzer Künste Tauschgeschäfte,

Jene Macht, die Lebensfäden spannte,

Mit Todesglut das Leben bannte.

Der Stab der Zeit, er ist gebrochen,

Tod im Tode ausgestochen,

Schwingst dich auf zur letzten Bitte,

Der du bist dein eigner Hirte.

Zeit gab Tod, und Tod braucht Zeit,

Und sie gibt Tod dir zum Geleit!

Auf der Liebe Sterbebett verbleibt

Vergängliches Vergangenheit.

 

Wenn Zorn der Zeit vom Himmel fällt,

Ein Lorbeerkranz zu Staub zerfällt,

Und wenn sich Gleich zu Gleich gesellt,

Dein Schicksal du hast selbst gewählt.

Durch dein eignes Tor mußt schreiten,

Der du bist und niemals warst,

Den eig´nen Tod dir zu bereiten,

Thanatos, mein dunkles Kind!

Kalter Hauch von goldnen Zinnen,

Mit allen Sinnen sollst verrinnen,

Der du dich vor Zeit bewahrst!«

Das Blut der Welt aus allen Flüssen,

Mit den schmerzlichsten Genüssen,

Strömt herbei zu Todes Grab.

Zeit, die weise Wächterin,

Bäumt sich auf zum letzen Kuß,

Zu rächen mit dem innigsten Genuß,

Ihn, der sich alle Zeit der Welt erwarb.

 

Der Wahrheit Zeit ist nun gekommen:

»Tod, was du im Sturm genommen,

Entreiß´ ich dir und hol zurück

Mein Herz, mein Blut, mein Trauerglück!

Und da ich deine Göttin bin,

Verleihe ich dir meinen Sinn!

Sag, wirst um Gnade du mich flehen,

Wenn weiße Fahnen dich umwehen

Und deine Saat in alle Winde

Sei verstreut und nie sich finde

Eine Spur von Todeslicht

Auf des Lebens Opfertisch?

Es wacht die Zeit nun über dich,

Zu Sterben sei dir eine Pflicht.

Der Zukunft Schicksal wunderbar,

Bleibt unbefangen, immerdar.«

Und so, in einem Wimpernschlag der Zeit,

Sah sich Tod von Tod befreit.

 

Aus:

Stilles Wort

Liebesgedichte & andere Nachdenklichkeiten

von

Carola Hipper

 

*ursprünglicher Titel: Memento mori

 

 

 

 

KÖRPERLOS

 

Die Liebe läßt uns weinen, lachen,

Uns’rer Lebenslüge Beine machen,

Verletzungen zu Grabe tragen

Und so manche Wahrheit wagen,

Wo das Ende Auftakt ist

Für des Leidens letzte Frist.

 

In des Lebens Trauerhallen

Ist der Vorhang kaum gefallen,

Da entflammt in aller Stille

Auf des Herzens sterblichem Gesicht

Der Liebe körperloser Wille

Und mit ihm sein seelenvolles Licht.

 

Aus:

Stilles Wort

Liebesgedichte & andere Nachdenklichkeiten

von

Carola Hipper

Eine Träne, ein Gedanke

und ein Gruß

 

Dieser eine Blick

Trübt meine Träne

Einen Lidschlag

Lang.

 

Mündet er in

ein Mehr von Tränen,

Spült mein Lied

Mit einem Schlag

Die wahre Trauer

Rein.

 

Ein Heer von Gedanken

Führt Frieden

Gegen

Sich selbst.

 

Dieser eine Gedanke

Kennt

Seiner Zukunft eigenes

Lied.

 

Ein Meer von Grüßen

Erhebt kaum

Mehr

Das leere Herz.

 

Dieser eine Gruß

Erfüllt

Mein Herz mit

Leichtigkeit.

 

Aus:

Stilles Wort

Liebesgedichte & andere Nachdenklichkeiten

von

Carola Hipper

                                      s. auch: Die Blaue Welle

Des Schweigens Antwort

 

Wohin schweift dein Blick, der mir entgleitet?

Gibt er mir ein anderes Gesicht?

 

Wohin flieht dein Gefühl, das mir entgleitet?

Spürt es meine Sehnsucht nicht?

 

Wohin geht das Glück, das mir entgleitet?

Flieht es vor meinem Selbstmitleid?

 

Wohin geht die Zeit, die uns entgleitet?

Näht sie uns’rer Zukunft ein neues Kleid?

 

 

Wohin fällt das Wort, das mir entgleitet?

Von deinen Lippen tropft als Schweigen

was zum Zweifel mich verleitet.

Aus einem Himmel voller Geigen

 

stürzt herab das falsche unter all den Worten

zu öffnen deines Schweigens Höllenpforten.

Dein Zögern dichtet Nebelschwaden,

die eisig meinen Namen tragen.

 

Was lang schon trübte meines Herzens Sicht

spiegelt sich in Augen starr wie Stein

zum Klang der Reue strahlt ein letzter Trauerschein.

Ertaubt von Fragen höre ich des Schweigens Antwort nicht.

 

Aus:

Déjà-vu

Tiefe Gefühle & andere Unerträglichkeiten

von

Carola Hipper

STILLES WORT

 

Das Leben strömt und fließt

Hin durch mich, bis die Wahl,

Die mich traf, sich vergießt

Und weiter fließt als meine Qual.

 

In einem Kreise ohne Mitte

Der sich Zentrum nennt der Welt

Strömt der Sehnsucht sanfte Bitte,

Die sich selbst zur Qual erwählt.

 

Weißes Blut sich hebt empor

Aus des Herzens gold’ner Feder,

Sich der Welt zu beugen weder

 

Noch deren Zentrum zu ergründen –

Sich in reinster Liebe zu verbünden:

Als Stilles Wort es trat hervor.

 

Aus:

Stilles Wort

Liebesgedichte & andere Nachdenklichkeiten

von

Carola Hipper

DIR ZU GEFALLEN

 

Ich will mich begnügen

Mit großen Gefühlen,

Mit goldenen Lügen

Will ich mich kühlen!

 

Ich will dich bekämpfen,

Den Kummer mir dämpfen,

Ich will dich besiegen

In fleischlichen Kriegen!

 

Ich will mich ereifern,

Durch Zorn mich bereichern.

Solange es währte,

Kein Kummer mich scherte.

 

Ich will dich betrügen

Mit kleinen Schachzügen,

Mit Schlingen und Fallen

Nur dir zu gefallen.

 

Ich will mich bedenken,

Vertrauen dir schenken.

Mit schmerzloser Kälte

Mein Zaudern dich quälte.

 

Ich will dich verleiten

Zu besseren Zeiten,

Zu silbernem Schweigen

Woll’n wir uns neigen.

 

Nun will ich dir sagen:

»Du sollst nicht verzagen.

Dir will ich mich beugen,

Mich reu’los vergeuden.

So wahr ich verachte,

Was Hoffnung mir brachte!«

 

Ich will dich erdulden,

Wahrheit uns schulden.

So will ich mich binden

Und dich in mir finden.

 

Aus:

Stilles Wort

Liebesgedichte & andere Nachdenklichkeiten

von

Carola Hipper

 

Vergessene Geschwister            

 

Schon der leiseste Zweifel

entzweit Bande der Treue,

wenn

aus Liebenden Verlor´ ne

werden.

 

Schon das kleinste Gefühl

geleitet den Zweifel ins Nichts,

wenn

aus Verlor´ nen Liebende

werden.

 

Schon die größte Liebe

ist verloren,

wenn

große Gefühle

ihre kleinen Geschwister

vergessen.

 

Aus:

Stilles Wort

Liebesgedichte & andere Nachdenklichkeiten

von

Carola Hipper


SEHNSUCHT

 

Ein süßer Kuß erwachen muß

Nach einer sterbenslangen Reise;

Noch kennt er nicht des Weges Fluß,

Noch zieret er sich leise -

Bis der Liebe sanfter Ruf,

Der ihn entsandte schicksalsweise,

Aus dem Nichts ein Wir erschuf

Auf des Lebens totgeglaubtem Gleise.

 

Aus:

Stilles Wort

Liebesgedichte & andere Nachdenklichkeiten

von

Carola Hipper

DES LEBENS LIED

 

Wozu ist die Sehnsucht da?

Mir scheint sie reichlich sonderbar.

Denn als ich deine Augen sah,

Wurden meine Wünsche wahr.

 

Wozu ist die Liebe da?

Mir scheint sie reichlich wunderbar.

Als ich deine Seele sah,

Kannte sie mich ganz und gar.

 

Wozu ist das Leben da?

Mir scheint es ja ganz sonnenklar,

Daß im Tode Sehnsucht wohnt,

Die mit Liebe wird belohnt.

 

Das Leben trennt, wen Sehnsucht liebt.

Um Sehnsucht weint, wer Liebe gibt.

Die Liebe kennt des Todes Trieb,

Im Tode keimt des Lebens Lied.

 

Aus:

Stilles Wort

Liebesgedichte & andere Nachdenklichkeiten

von

Carola Hipper

 

Aus:

Einfach leicht

Über-Lebens-Gedichte

& andere Nebensächlichkeiten

von

Carola Hipper

 


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